Tonio Kröger von Thomas Mann

«Tonio Kröger» ist eine 1903 erschienene Novelle Thomas Manns. Sie entstand in der Zeit zwischen Dezember 1900 und November 1902.

Der Titelheld, Tonio Kröger, trägt unverkennbar autobiographische Züge von Thomas Mann selbst: Ein Leben zwischen Künstlertum und Bürgerlichkeit. Genauer: Ein Künstlerleben, das die Bürgerlichkeit konfrontiert und doch dazu gehören möchte. Das Leben eines «verirrten Bürgers», wie Tonio Krögers Freundin, Lisaweta Iwanowna, es nennt.

Die Novelle erzählt in wunderbarer Sprache das Heranwachsen des Kindes zum etwas kränklichen, einsamen Genie.

Wie es Thomas Mann am Ende des 4. Kapitels schildert:

«Aber in dem Maße, wie seine Gesundheit geschwächt ward, verschärfte sich seine Künstlerschaft, ward wählerisch, erlesen, kostbar, fein, reizbar gegen das Banale und aufs höchste empfindlich in Fragen des Taktes und Geschmacks. Als er zum ersten Male hervortrat, wurde unter denen, die es anging, viel Beifall und Freude laut, denn es war ein wertvoll gearbeitetes Ding, was er geliefert hatte, voll Humor und Kenntnis des Leidens. Und schnell ward sein Name, derselbe, mit dem ihn einst seine Lehrer scheltend gerufen hatten, derselbe, mit dem er seine ersten Reime an den Walnußbaum, den Springbrunnen und das Meer unterzeichnet hatte, dieser aus Süd und Nord zusammengesetzte Klang, dieser exotisch angehauchte Bürgersname zu einer Formel, die Vortreffliches bezeichnete; denn der schmerzlichen Gründlichkeit seiner Erfahrungen gesellte sich ein seltener, zäh ausharrender und ehrsüchtiger Fleiß, der im Kampf mit der wählerischen Reizbarkeit seines Geschmacks unter heftigen Qualen ungewöhnliche Werke entstehen ließ.

Er arbeitete nicht wie jemand, der arbeitet, um zu leben, sondern wie einer, der nichts will als arbeiten, weil er sich als lebendigen Menschen für nichts achtet, nur als Schaffender in Betracht zu kommen wünscht und im übrigen grau und unauffällig umhergeht, wie ein abgeschminkter Schauspieler, [27]der nichts ist, solange er nichts darzustellen hat. Er arbeitete stumm, abgeschlossen, unsichtbar und voller Verachtung für jene Kleinen, denen das Talent ein geselliger Schmuck war, die, ob sie nun arm oder reich waren, wild und abgerissen einhergingen oder mit persönlichen Krawatten Luxus trieben, in erster Linie glücklich, liebenswürdig und künstlerisch zu leben bedacht waren, unwissend darüber, daß gute Werke nur unter dem Druck eines schlimmen Lebens entstehen, daß, wer lebt, nicht arbeitet, und daß man gestorben sein muß, um ganz ein Schaffender zu sein.»

«Tonio Kröger» wurde von Jürgen Gergov für die Privatsammlung an Hörbüchern von Andrea Anderheggen gelesen und dem Fliegenglas Verlag zur Verfügung gestellt.